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Stiftung Stipendium Gerlacianum

Wie war es früher?

Eine Beschreibung von Rolf Djürken Ulferts aus Pewsum (ehemals Landwirt zu Bohnenburg/Krummhörn-Hamswehrum) aus dem Jahre 1938 in Auszügen.

Roelf Djürken Ulferts, 1910

Das Gerlach´sche Stipendium

Was du ererbst von deinen Vätern hast,
Wart sein getreu
Und halt es stets in Ehren!

Am 24. Januar 1600 starb in Grimersum der unverheiratete Privatgelehrte Sibrand Gerlach, aus altem, dort ortsansässigem Bauerngeschlecht stammend im jugendlichen Alter von 32 Jahren, nach längerem kränkeln, also wahrscheinlich an der Schwindsucht.

Er war ein wohlhabender Mann, hatte große Reisen gemacht und war nach der Grabinschrift verschiedener Sprachen kundig, nach damaliger Ansicht also ein sogenannter Gelehrter.

Einige Tage vor seinem Tode ließ er auf dem Rathause in Emden ein Testament aufsetzen, dass in Original noch jetzt vorhanden ist, und von dem ein Abdruck beigefügt ist.

In diesem ordnungsmäßig beglaubigten und bezeugtem Testament seines letzten Willens, wie er sich auch ausdrückt, fasst er einen Teil seines Besitzes zu einer Stiftung zusammen, deren Einkünfte einem oder zweien Studenten aus seiner Familie bei ihrem Studium zu Gute kommen sollten.

Er hat wohl nur Studenten der Theologie damit gemeint, denn andere gab es damals kaum und sind in den ersten beiden Jahrhunderten des Bestehens der Stiftung, soweit ich fest- stellen konnte, nicht in Betracht gekommen. Dass es später anders kommen würde und es Studenten mancher Art, sogar Studentinnen als Bewerber geben würde, konnte er nicht wissen, sonst hätte er vielleicht noch Einschränkungen gemacht.

Sybrand Gerlach ist nach damaliger Sitte in der Grimersumer Kirche neben seinem Vater und Großvater bestattet. Die Umschrift um seinen Grabstein meldet:

„Anno 1600 de 24 Januari is der erbare und Wohlgeleite Sibrandus Gerlachius, Christlich in den Heren gerüstet, seines olters im 32 Jahre, verwachtet eine salige upstandinge.“

Auf dem Stein über seinem Wappen stehen nachfolgende lateinische Verse, in Distichon- Form, .wahrscheinlich von einem sprachkundlichem Verwandten, vielleicht von seinem Vetter Bene Imen, dem ersten Stipendiaten verfasst:

Die Widmung lautet:

„Gerlachio genitus Sibrandus juris et Aequi Gnarus, et antique vir probitatis amans. Acceptus Batavis, Anglis, Gallis, Latiisque, quos videt quorumque ore loqui protuit ; Hic propter cari Genitoris viscera dormit. Spiritus aethereas incolit ipse domus. Felix qui potuit Doctrinae jungere Linguas Et mage qui potuit Christi in amore mori”

Darunter: „Memoria Clarissimi Doctissimique viri Dn. Sibrandi Gerlachi 24 Januari Ao 1600 pie placideque defuneti, Aetatis suae 32“

Auf deutsch etwa: Sibrand, Sohn des Gerlach, des Rechtes und Billigen kundig und ein Mann, alte Red- lichkeit liebend, beliebt bei den Holländern, Engländern, Galliern und Italienern, die er besucht hat und deren Sprachen er verstehen konnte, hier schläft er bei den Gebeinen seines Vaters, sein Geist selbst weilt in himmlischen Räumen. Glücklich, der er mit der Gelehrsamkeit Sprachen verbinden konnte und mehr noch, der er konnte in Christi Liebe sterben.

Darunter: Vom Andenken des sehr berühmten und sehr gelehrten Herrn Sibrand Gerlach, am 24 Januar im Jahre 1600 fromm und sanft verschieden, 32 Jahre alt.

Das Testament ist zwei Tage vor seinem Tode verfasst, wenigstens in rechtsgültige Form gebracht, und heißt es nach alter Überlieferung, dass diese beschwerliche Reise im Winter nach der fernen Stadt sein Ableben beschleunigt habe. Ganz wahrscheinlich, denn Reisen im Winter in damaliger Zeit besonders noch in der niedrig gelegenen immer feuchten Marsch wird für einen schwer kranken Mann lebensgefährlich gewesen sein. Die Eltern des Gerlach waren anscheinend schon verstorben und volle Geschwister scheint er nicht gehabt zu haben, nur einen jüngeren Halbbruder Jacobus Gerlach.

Zu Erben seines Nachlasses, außer einigem Kapitalvermögen aus seinem vom Vater her- rührendem Platze in Grimersum und Wirdum und Ländereien dort und in Visquard bestehend, bestimmte er seinen Vetter, wofür man damals noch wohl Neffe sagte, Bene Imen und seinen Halbbruder Jacobus Gerlach.

Außerdem bezeichnete er 55 ½ Grasen Landes, von denen 13 ½ Grasen als unter Wirdum, 12 Grasen als unter Grimersum und 21 Grasen unter Visquard und 9 Grasen, von denen zweifelhaft ob unter Wirdum oder Grimersum gelegen, angegeben werden und nur ausderen Einkünften das Stipendium bestritten werden soll, neben 50 Thalern, die der Haupt- erbe Bene Imen aus den Einkünften des Wirdumer Platzes oder Heerdes aufbringen soll.

Zugleich ist in dem Testament von dem Testator der Erbe (haeres) Bene Imen, der Sohn einer Halbschwester der Mutter des Testators zum ersten Nutznießer des Stipendiums ernannt.

Ob Bene Imen davon Gebrauch gemacht hat, weiß ich nicht. Es ist aber wahrscheinlich, da er Administrator des dritten Standes genannt wird, und als solcher wohl rechtskundig gewesen sein muss. Auch war er Deputierter des Greetmer Amts.

Bene Imen war der Sohn des Ime Sunken und der Tante des Sybrand Gerlach, die wahrscheinlich Eltje oder auch Hester hieß, was ich aus dem Namen der Töchter des Bene Imen herleite. Mit Namen genannt wird sie nirgends. B.I., als dessen Frau eine Heilwig bezeichnet wird, wohnte wenigstens von 1621 - 1638 in Wirdum, wahrscheinlich auf dem ihm im Testa- ment vermachten Hofe und starb 1646.

Von diesen Ehepaaren leiten die Scipio, Nellner, Heikens und natürlich vollumfänglich auch eine Menge anderer ihre Familienzugehörigkeit ab.

Ein Nachkomme dieses Zweiges der Sippe, der Registrator Scipio Nellner in Emden hat im Jahre um 1792 schwer um die Zugehörigkeit zum Stipendium gekämpft, da ihm und seinen Verwandten von den Curatoren bestritten wurde, besonders heftig von dem Pastoren Jacobus Nik. Fegter in Campen. Doch hat der streitbare Registrator sich durchgesetzt durch Nachweisung vorhandener Abstammung besonders aufgrund der Norder und Lütetsburger Kirchenbücher und Register. Pestzeiten waren dazwischengekommen und hatten große Lücken gerissen, so dass es nicht leicht war, den Zusammenhang zu erfassen, und daher auch die Register lückenhaft geblieben bis öfteren Schicksal des Buchführenden.

Auf Veranlassung des Nellner und in Folge des Rechtsstreites erging seitens des Amtes Pewsum 1792 eine Aufforderung an die Familienmitglieder sich dort zu melden und ihre Bestätigung zum Stipendium nachzuweisen. Es haben sich, wie vorauszusagen, eine ganze Menge Verwandte gemeldet und ist ihre Zugehörigkeit unbestritten, aber trotzdem sind doch (das) Verzeichnis unvollständig sein, da nicht alle davon erfahren haben. Manche auch nichts davon wissen werden oder ganz uninteressiert sein. Ich werde später ein Verzeichnis der Anmeldungen bringen. Zu der Familie Nellner gehören auch die Büning´s aus Leer, wovon Amtsgerichtsrat Büning-Leer und Sohn Rechtsanwalt Büning-Verden nacheinander zu meiner Zeit dem Curatorium angehörten.

Jacobus Gerlach, geboren 1575 zu Grimersum, ist Halbbruder des Stifters, wohnte auf dem elterlichen Hofe in Grimersum, war Kirchvogt dort, starb ebenda am 15. Juni 1631 im sechs- undfünfzigsten Lebensjahr und ist als Kerkvogt in der Kirche bestattet. In der Grabinschrift wird er als wohlgelehrt bezeichnet und auch die lateinische Inschrift deutet wohl darauf hin, dass er seine Zeit und Berufsgenossen von Bildung bevorzugt haben wird. Auf dem Grabstein steht nach Mitteilung von Pastor Wiltfang dort: „Anno 1631 den 15 Juni is de er un achtbare welgeleerde Jacobus Gerlaci, kerkvogt to Grimersum, salig in den Heern entslapen, sines Older´s in´t 56 Jahr. D.O.M. et perpetuae memoriae Jacobi +C+ Gerlacii, viri integerrimi et de patria optime meriti officiosi in marito dolore et in spe futurae resurretionis usor vidua. H.M.P.C.“

Zu Deutsch etwa: „Dem höchsten Gotte und ewigen Gedenken Jacobus Gerlach, des lauteren und um sein Vaterland verdienten Beamten in ehelichem Schmerze und in Hoffnung zukünftig Auferstehung die Wissen. Die Witwe“

Anbei das auf dem Grabstein ausgehauene Gerlach´sche Wappen, das von einem Löwen- maul, dass ich aber lieber nicht zeichnen will, gehalten wird. Der halbe Reichsadler ist das Zeichen der freien Bauern. Dann folgen, leider etwas schwer leserliche lateinische Disticha, an einigen Stellen sinnergänzt von Dr. Roos-Zehlendorf.

Ein Denkmal treuer Gottesliebe.
„Hoc dilecte, tibi momentum pono, marite, Connbii consors diurula fida tui,
Et ut aeternum sincere pignus amoris Qua mihi tu junctus, quo tibi juncta fui,
Ac placuit domino, qui te dedit, abstulit idem Semper in aeternum sit benedicta fides”

In Deutsch übersetzt etwa:
„Dieses Denkmal setze ich dir, teurer Gatte, die langjährig Genossin deiner Ehe,
und als ewiges Pfand wahrer Liebe,
in der du mir verbunden und ich dir verbunden war, doch gefiel es dem Herrn, der dich gab,
das er Dich nahm,
sei doch gepriesen in Ewigkeit, Die Treue“

Die unter dem ersten Teil der Grabinschrift stehenden Buchstaben H.M.P.C. sollen heißen:
„Hoc monumentum ponendum curavit“
Und sollen wohl kundtun, dass der verstorbene die Aufstellung des Monumentes selbst noch gewünscht hat bzw. dafür gesorgt hat. Der Name seiner Gattin, die ihn überlebt zu haben scheint – nach der Grabschrift zu urteilen – ist nichts bekannt.

Eine Tochter Luirke Jacobs war verheiratet mit Rippert Tönnies. Auf diesen Mann geht die Verbindung unserer Familie mit dem Stifter des Stipendiums zurück, vielfach in weiblicher Linie vererbt, was aber keinen Unterschied macht. Eine Stammfolge werde ich später anschließen.

Aus den ersten Zeiten des Stipendiums, den siebzehnten Jahrhundert überhaupt, ist uns in Bezug auf dieses und seinem Verbleib wenig bekannt. Böse Zeiten kamen über unser Land, der dreißigjährige Krieg mit den Einfällen der Mansfelder und Hessen u.s.w., die immer- währenden Zwistigkeiten der ostfriesischen Stände und Emdens mit den Fürsten Ostfrieslands, die das Land nicht zur Ruhe kommen ließen, dazu Pestzeiten, in denen die halbe Bevölkerung wegstarb und die Eigentums- und Besitzbegriffe in Verwirrung und durch- einander gerieten.

So mag es auch gekommen sein, dass der größte Teil des Grundbesitzes vom Stipendium verloren gegangen ist. Vielleicht sind die im Testament als dem Stipendium zugehörenden Grundstücke von dem Besitz der übrigen Erben, die ja zugleich Curatoren des Stipendiums waren, gar nicht getrennt worden und von diesen wie vorher weiterbenutzt worden. Gewiss werden besonders in der ersten Zeit nach der Veröffentlichung des Testamentes die Nutznießer den Stipendiaten einen Teil des Einkommens aus den Grundstücken überwiesen haben, denn es waren gewiss ehrenwerte redliche Leute, aber das die Grundstücke nicht ihr Eigentum waren, ist vielleicht nie besonders betont worden und bei den plötzlichen, rasch aufeinander folgenden folgenden Sterbefällen, wie sie in dem siebzehnten Jahrhundert im Gefolge der Epidemien häufiger eintraten, und dadurch veranlassten öfteren Besitzwechsel ist es erklärlich, das die Eigentumsbegriffe an Grundstücken in Vergessenheit geraten sind, zumal es Grundbücher nicht gab.

Es kann auch sein, das Grundstücke für Lasten und Abgaben übernommen sind, die besonders bei Deichbrüchen und in Kriegszeiten untragbar wurden, wo alsdann die Einnahmen um so geringer wurden.

Es ist des Öfteren vorgekommen, dass einer sich deswegen seines Besitzes, den er nicht erhalten zu können glaubte, entäußert hat ohne jede oder geringen Entgelt.

Wie dem auch sei, feststellen lässt sich darüber nichts mehr, nur mutmaßen; aber Tatsache ist, dass im Jahre 1680 der größte Teil im Testament des Gerlach für das Stipendium bestimmten Ländereien nicht mehr im Besitz desselben war bzw. Einkünfte daraus nicht mehr aufgeführt werden. Nur die auch noch heute noch vorgefundenen Grundstücke werden in den ersten beiden Akten befindlichen ordentlichen Abrechnung erwähnt, die 1729 unter obrigkeitlicher Aufsicht stattfand und in der auf eine Aufstellung von 1680 zurückgegriffen wird. Bis dahin, 1729, hatte sich die Obrigkeit nicht um das Stipendium und sein Vermögen gekümmert und eine ordentliche Rechnungsablage hatte wohl nie stattgefunden bis zu diesem Zeitpunkt dem Rechnungsführer die Schulden über den Kopf gewachsen waren und er wohl keinen anderen Ausweg mehr sah.

In früheren Zeiten, so hat mir meine alte Mutter erzählt, die es von ihren alten Tanten in Wirdum hatte, sei die ganze Familie, die ja damals ja in der Hauptsache in Wirdum und Grimersum herum wohnte, in Wirdum zusammengekommen – wie oft weiß ich nicht, vielleicht in jedem Jahr einmal, und habe von den Einkünften des Stipendiums einen Tag feierlich mit Freuden gelebt. Dann hatten eben alle was davon; es war so etwas wie ein Familientag und Stipendiaten wird es bei dem geringen Umfang der Familien auch nicht immer gegeben haben.

Es scheint als wenn die Familientagungen immer in Wirdum stattgefunden haben. Weshalb aber dort und nicht in Grimersum, dem einstigen Wohn und Geburtsort des Stifters weiß ich nicht. Vielleicht hat der erste Verwalter des Stipendiums, der Oheim des Stifters Ime Sunken in Wirdum gewohnt, wie sein Sohn Bene Imen nach ihm. Diese werden wohl die ihnen danach gewiss noch persönlich bekannten, wenig zahlreichen Familienmitglieder zu sich eingeladen haben zu Tagungen und Beratungen.

Allmählich wird es zur Gewissheit geworden sein, deshalb nach Wirdum zu kommen und schließlich wusste man nicht anders - es musste eben sein. Zudem entstammte die Mehrzahl der Curatoren der Fegterschen, das sogenannten Claas-Tjarks-Familie, die in und um Wirdum ansässig war und auch als die Fegters nach Emden verzogen waren, wurde Wirdum trotz der Abgelegenheit als Tagungsort beibehalten bis zum Jahr 1920.

Zu meiner Zeit - ich bin 1896 zum Deputierten gewählt – fanden die Wahlen zum Curatorium der Stiftung auf dem Landratsamte des Kreissekretärs statt, nach dem zu diesen Terminen die berechtigten Familienmitglieder in den Tageszeitungen gehörig geladen waren.

Legitimationen oder Ausweise der Zugehörigkeit wurden selten verlangt, da durch immer vorhandene bekannte Personen und durch das vorliegende Familienregister sich die Identität der Betreffenden feststellen ließ, wenn mal ein ganz Fremder erschienen war. Ehemänner wurden gewöhnlich ohne weiteres als Bevollmächtigte ihrer der Stiftung zugehörigen Ehefrauen anerkannt und zur Abstimmung zugelassen. Später gab es sogar Mitgliedskarten als Ausweise. Die Wahl war lebenslänglich und ist es auch noch und somit gibt es nur Ersatz- wahlen nach Sterbefällen. Meistens wird für den Verstorbenen der Bruder oder Sohn oder ein sonstiger naher Verwandter gewählt, ohne viel Reden und Widerreden. Nur einige Male als besonders viele Außenseiter zur Wahl erschienen waren, die sich gewiss etwas ganz Wichtiges und Besonderes unter einem solchen Mandat vorstellen, und eigene Kandidaten aufgestellt hatten, war ein harten Wahlkampf entbrannt, das obsiegten gewöhnlich die näher wohnenden Krummhörner und haben es immer in der Hand, wenn sie nicht gar zu gleich- gültig sind.

Gewiss, es ist ein Ehrenamt und eine Ehre für den Betreffenden, das Vertrauen der Sippe zu genießen, aber so ganz viel hängt nun doch von der eigenen Persönlichkeit nicht ab. Das Curatorium besteht, seit wann, das weiß ich nicht, aus acht Mitgliedern, dem ersten und zweiten Curator und sechs sog. Deputierten. Da kann ein Quertreiber, falls mal einer hinein- kommen sollte, nicht viel machen. Soweit ich mich erinnere, haben wir uns immer über die Verteilung der Einkünfte an die bewerbenden Stipendiaten leicht geeinigt und auch nahe Verwandte nicht besonders bevorzugt.

Gewiss - das braucht unter ehrenwerten Männern nicht besonders betont zu werden - ist dies selbstverständlich, aber von Außenstehenden wird so leicht das Gegenteil angenommen.

Größere Bedürftigkeit ist ab und zu berücksichtigt, besonders wenn die Zahl der Bewerber nicht zu groß war. Ob wir dazu berechtigt waren oder sind, ist mir immer fraglich gewesen, da das Stipendium m.E. ein Erbteil darstellt, das allen Berechtigten in gleicher Weise zusteht, aber moralisch verantworten kann man es schon.

Zur Rechnungsabnahme und Verteilung der Stipendien wurde das Curatorium von dem buchführenden I. Curator zu einer Tagung einberufen, die alle drei Jahre – zu meiner Zeit in Wirdum im Sparenborg´schen Wirtshause, der zugleich II. Curator war, stattfand, immer im Hochsommer, Juli oder August, pflegten wir uns dort um 10 Uhr vormittags einzufinden. Es wurden alsdann die allgemeinen Angelegenheiten der Stiftung besprochen, die Vermögens- lage, Verpachtungen u.s.w. Einsicht und Stellungnahmen zu den Bewerbungen um ein Stipendium und Verteilung der zur Verfügung stehenden Summe. Bei der immer umfang- reicher werdenden Familie mangelt es natürlich an Bewerbern nicht und nach Möglichkeit wurden viele berücksichtigt, die die Bedingungen erfüllten, Familienzugehörigkeit, Reife- prüfung und Studiumsnachweis. Im Auslande wohnende waren ausgeschlossen. In einzelnen Fällen haben wir bis 1000.- Mark bewilligen können, soweit ich mich erinnere, je nach Zahl der Bewerber und der verfügbaren Einkünfte, die damals ja bedeutend höher waren als nach der Inflation. Es handelte sich immer um den Zeitraum der nächsten drei Jahre und bei den Studenten nach der Zahl der Semester. Nach getaner Arbeit – ich habe als jüngster meisten das Protokoll führen müssen – wurde gut gegessen und getrunken. Das sei dem Sparenborg zur Ehre nachgesagt.

Alsdann wurde wohl bei gutem Wetter ein Spaziergang gemacht zur Besichtigung der an der Straße nach Loppersum unmittelbar an Wirdum gelegenen Weideländereien oder auch wohl in der anderen Wirtschaft bei Remmers eine Partie Kegel geschoben. Nach der reichlichen Mahlzeit eine schwere Arbeit!

Nachmittags fand sich dann ein Vertreter des Landratsamtes Emden - meistens der Kreis- sekretär - ein, zur offiziellen Versammlungsabnahme der verflossenen drei Jahresperiode, mit der wir uns auch schon am Vormittage beschäftigt hatten. Hierzu pflegte sich auch eine Anzahl sonstiger Familienmitglieder einzustellen, doch groß war das Interesse im Ganzen nicht.

Von den Herren, die mit mir zusammen in Wirdum gute Tage verlebt haben, lebt keiner mehr. Sie waren ja auch allesamt älter als ich, zum Teil erheblich: Albertus Fegter aus Emden, Sparenborg, der Wirt in Wirdum, Pastor Nellner, den ich kaum noch gekannt habe, Nittert Ulferts-Twixlum, mein Vetter, Amtsgerichtsrat Büning-Leer, ein lieber Mensch, Ebbel Wiltfang-Damhusen, Jan Ellerbroek-Süderneuland und D. A. Janßen-Wybelsum.

Nach dem Kriege wurden die Tagungen des Curatoriums und auch die Wahlen in Emden, im Centralhotel abgehalten, auf Wunsch verschiedener Deputierten, zumal auch der buch- führende Curator in Emden wohnt. Wirdum ist ja auch reichlich abgelegen, und die Fahrten immer mit Kosten verbunden. Praktisch ist diese Neuregelung gewiss, wenn auch die Auf- gaben alter Sitten und Gewohnheiten der Vorfahren mir nicht so recht in den Sinn will und das alte Vermächtnis der Ahnen zu einem nüchternen Geschäftsgebaren degradiert.

Die Verwaltung des Stipendiums ist auch viel einfacher geworden. Das Vermögen ist durch die Inflation sehr zusammengeschmolzen und die Einnahmen bestehen fast nur noch aus dem Aufkommen des Grundbesitzes. Die Regierung kümmert sich nicht mehr um Wahlen und Rechnung. Die Verteilung der Einkünfte und die übergroße Anzahl der Bewerber lassen sich schwer in Einklang bringen und haben schon dazu geführt, weibliche Studenten auszuschließen.

Zur Zeit (1938) gehören dem Curatorium der Stiftung an:
Kaufmann Antonius Fegter-Emden, Sohn des früheren Curators Albertus Fegter als I. Curator und der frühere Landwirt Dieke Poppinga aus Grimersum, jetzt in Loga als II. Curator.

Als sog. Deputierte die Herren:
Ebbel Smidt aus Visquard, Landwirt,
Bonne Wiltfang-Pewsum, früher Heiselhusen, Jan Janßen-Wybelsum, Landwirt,
Zwitzers-Wybelsum, Pastor, Büning-Verden, Rechtsanwalt,
und meine Wenigkeit seit 1896, die anderen sind fast alle erst vor dem Krieg gewählt.

Jetzt muss ich zweihundert Jahre zurück wieder anfangen, um noch Einiges, was die Nach- kommen interessieren könnte, von den Akten der Stiftung, soweit ich sie gelesen habe, zu berichten.

Wie ich schon früher erwähnte, hat sich 1729 die Obrigkeit zum ersten Male um die Stiftung gekümmert und sich an der Rechnungslegung gekümmert. Vielleicht von irgendeinem Be- teiligten auf die eingetretenen Missstände gemacht.

Aus einem Protokolle, aufgenommen zu Wirdum am 8. September 1729 durch den Drosten von Specht und Amtmann Sta geht hervor, das die Ausgaben seit 1723 insgesamt 1370 Gulden 8 Schaaf 2 ½ Witt betragen haben, die Einnahmen aber nur 647 Gulden O Schaaf 15 Witt betrugen, wovon aber noch an Restanten 70 Gulden und 15Witt abzuziehen sind, sodass also mehr ausgegeben als eingenommen sind 793 Gulden 2 Schaaf 7 ½ Witt. In Rest waren außerdem noch Dirk Noemes Erben mit 136 Gulden 4 Schaaf 10 Witt – wie es heißt: ex capite directi domini et inde nom soluto cannis. Was das bedeutet, weiß ich nicht (Anm. d. Übersetzers: Aus dem Gedächtnis des Herrn bestimmt und daher nach Kirchenrecht [canonis] seitdem nicht abgelöst). Beschlossen wird, dass die Erben des verstorbenen ersten Curators Jacob Campen bzw. der neu gewählte I. Curator Campe Jacobs - Sohn des Vorigen - befugt sein sollen, die Revenuen des Stipendiums solange einzubehalten, bis zu Schuld mit Zinsen getilgt ist. Alsdann sollen dem Wilhelm Hattermann, die dem Johannes Hattermann, Pastor zu Pewsum, zu Studienzwecken vorgestreckten 500 Gulden aus den Einkünften ersetzt werden, aber ohne Zinsen. Nachdem alle Schulden bezahlt sein werden, soll Christoph Gottlieb Nellner den Eertrag der Revenuen als Stipendium erhalten. Er hat es noch erlebt und als Stipendium nachträglich erhalten.

Zum II. und III. Curator heißt es, wurden Folptner Tebben und Pastor Joh. Battermann bestimmt, die für ihre Mühe, worin die bestand, weiß ich nicht, jährlich 3 Reichsthaler erhalten sollen.

Die schlechte Finanzlage des Stipendiums ist leicht erklärlich. Das Einkommen bestand ja in der Hauptsache aus dem Pachteinkommen der Grundstücke, und diese werden wenig Einkunft haben, wenn überhaupt etwas einkam. Denn den Bauern der ostfriesischen Marschen ging des schlecht nach dem Rindersterben der Jahre 1715 – 1716 und den großen Fluten von 1717 und 1720. Sie waren zum Teil völlig verarmt. In meiner Familienchronik habe ich Beispiele aufgeführt, wie wenig Ertrag ein platz einbrachte, auch gerade aus der Wirdumer Gegend.

Aus dem Protokoll Wirdum 13. Oktober 1740 geht hervor, das Campe Jacobs mittlerweile verstorben ist. Den Erben Jacob Campen ist der Vorschuss von 1729 ersetzt, aber dem Hattermann oder vielmehr seiner Witwe werden noch 256 Gulden 2 Schaaf geschuldet, die um Michaelis 1741, wenn möglich, aus den Einkünften bezahlt werden sollen. Danach soll Chr. Nellner mit seinem Stipendium herankommen.

Seit 1737 den 2. Oktober sind 851 Gulden 9 Schaaf 4 ½ Witt eingekommen und noch 25 Gulden 5 Schaaf 6 ½ Witt und 94 Gulden 8 Schaaf 15 Witt in Rest.

Es sind mehr ausgegeben als eingenommen 6 Gulden 7 Schaaf 8 ¾ Witt, die zu erstatten sind. Zum I. Curator wird Feenderk (Fähnrich) Claas Tjarks in Wirdum gewählt (Familie Fegter).

Am 13. Februar 1743 war der Besitzstand des Stipendiums folgender: Zu Wirdum:

4 Grasen verpachtet zu je 16 Gulden
3 ½ Grasen verpachtet zu je 13 Gulden
3 ½ Grasen verpachtet im Ganzen zu 55 Gulden
Desgl. 10 Acker Gartengrund verpachtet je von 13 – 22 Schaaf.

Zu Visquard:
Die 9 Grasen unter Visquard sind per Gras zu 6 Gulden verpachtet.
Schatzung halbscheid, Deichlastkosten und andere Lasten kann der Pächter in Rechnung bringen.
Dieser Grundbesitz ist auch jetzt noch vorhanden, etwas 8 ha insgesamt.

Im Folgenden kann ich nun allerdings in der Hauptsache nur noch Namen angeben. Sie werden dem Fernerstehenden allerdings wenig besagen, aber dem in der Sippe bewanderten andeuten können, wie Familienzugehörigkeiten entstanden sind.

Vorerst die Namen der Curatoren der Stiftung, zu Anfang wohl der Familienältesten, dann von der Sippe dazu Bestimmte.

Zuerst - vom Testator noch beauftragt- Ime Sunken, sein Oheim. Dessen Sohn Bene Imen und Enkel Sibrandus Benen.